GESCHICHTE
50 Jahre Verband Oberösterreichischer Volkshochschulen – Entwicklung von 1953 bis 2003
Am 26. und 27. September 1953 wurde anlässlich eines Treffens oberösterreichischer Volkshochschulleiter in Wels beschlossen, einen Oberösterreichischen Volkshochschul-verband zu gründen. Als Koordinations-, Informations- und Beratungsstelle für die Volkshochschulen des Landes entwickelte er sich rasch zu einer wichtigen Kommunikationsdrehscheibe in der oberösterreichischen Bildungslandschaft.
Seine Aufgaben und Arbeitsfelder haben sich seit den Jahren seiner Gründung stark verändert. Durch die gestiegene Bedeutung der beruflichen Weiterbildung und der aktiven Freizeitgestaltung steht der Verband heute abermals vor erweiterten, aber auch vor völlig neuen Herausforderungen.
Kompensation, Qualifikation, Emanzipation, Integration
Neben der Schule und der höheren Bildung an den Universitäten bzw. universitätsähnlichen Einrichtungen stellt die Erwachsenenbildung die dritte Säule im staatlichen Bildungssystem dar.
Ihre Aufgaben lassen sich mit vier Begriffen fassen:
- Kompensation, dem Nachholen versäumten oder vergessenen Wissens aus den ersten beiden Bildungssäulen;
- Qualifikation, der Verbesserung der Berufs- und Lebenschancen von Menschen;
- Emanzipation, der geistigen Befreiung aus selbst- oder fremdverschuldeter intellektueller Unmündigkeit; und
- Integration, der gesellschaftlichen Eingliederung des Individuums durch ordnende Bildungsnormen.
Ein schwieriger Beginn in der Nachkriegszeit
Nach den materiellen und geistigen Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges stand die auf eine lange Tradition zurückblickende Erwachsenenbildung in Oberösterreich (1872 Gründung des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins) vor einem völligen Neuanfang.
In den größeren Städten Linz, Wels und Steyr entstanden Ende der 1940er Jahre mit tatkräftiger Unterstützung der jeweiligen Stadtverwaltungen eigene kommunale Volkshochschulen. Anfang der 1950er Jahre kamen in Vöcklabruck, Braunau am Inn, Perg, Schärding, Grieskirchen, Kirchdorf an der Krems und in verschiedenen Orten des Salzkammerguts weitere Volkshochschulen bzw. volkshochschulähnliche Bildungseinrichtungen hinzu. Die Gründungen erfolgten zumeist auf Initiative einzelner, oft idealistisch gesinnter Männer und Frauen (von Beruf oft Lehrer, Wissenschafter, Kommunalpolitiker, AK-Bildungsfunktionäre, …) unter zuweilen denkbar schwierigen Bedingungen. Diese in vielen Teilen des Landes von unten her entstandenen Bildungseinrichtungen erhielten durch die Initiative des 1947 vom Land Oberösterreich gegründeten Oberösterreichischen Volksbildungswerks in der Gründung des Oberösterreichischen Volkshochschulverbandes eine koordinierende Dach- und Planungsebene. Die Hauptaufgaben des 1953 mit Sitz in Linz gegründeten Verbandes liegen seither in der Kommunikations-, Informations-, Subventions- und Interessenpolitik.
Zeitlich nahezu parallel wurde von der oberösterreichischen Arbeiterkammer eine eigene Volkshochschule gegründet, die sich eine flächendeckende Versorgung des ganzen Landes mit Erwachsenenbildungseinrichtungen zum Ziel setzte und sich ebenfalls bald unter das gemeinsame Dach des Verbandes Oberösterreichischer Volkshochschulen begab.
Aufbau und Konsolidierung
Die 1950er und 1960er Jahre waren, trotz aller finanziellen und materiellen Engpässe, eine von optimistischem Aufbauwillen geprägte Zeit. Der erste Obmann des Volkshochschulverbandes, Herbert Grau (1953-1973), war nicht nur ein herausragender Theoretiker der Erwachsenenbildung, sondern auch ein geschickter Initiator und Organisator in Volkshochschulbelangen. Der rasche Aufstieg der Volkshochschule Linz zur führenden Erwachsenenbildungseinrichtung des Landes, mit einer Strahlkraft weit über dieses hinaus, ist vor allem ihm zu verdanken.
Werbeaktionen, Informations- und Kommunikationsdienste sowie die Verbesserung der materiellen und personellen Ausstattung der Volkshochschulen waren neben der Lukrierung und Verteilung von öffentlichen Subventionen die Hauptaufgaben des Verbandes. Die damals steigenden Subventionen von Bund und Land spiegelten die gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber den Volkshochschulen wider.
Expansion und Diversifizierung
Die 1970er und 1980er Jahre waren, dank der Bezirksstellen der Arbeiterkammer, von einem flächendeckenden Lückenschluss des Volkshochschulnetzes in ganz Oberösterreich geprägt. Erwachsenenbildung sollte für alle gesellschaftlichen Schichten und in allen, auch noch so abgelegenen Gegenden des Landes erreichbar sein. Auch das Bildungsangebot wurde immer vielfältiger, und nahm auf die sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnisse Rücksicht. Es reichte von Sprach- und (Kunst-)Handwerkskursen zu Sport- und Freizeitangeboten, beinhaltete wissenschaftliche Vorträge, Angebote der beruflichen Weiterbildung, und vergaß nicht auf die spezifischen Bildungsbedürfnisse der Frauen, Jugendlichen und Senioren.
Lang gehegte bildungspolitische Ziele einer flächendeckenden Versorgung mit Bildungsangeboten für alle bildungsinteressierten Erwachsenen (auch aus „bildungsferneren“, „unteren“ gesellschaftlichen Schichten) schienen in der Zeit des aus einer Arbeiterfamilie stammenden zweiten Verbandsobmannes, Gustav Hofinger (1974-1990), ihrer Erfüllung nahe.
Neue Zeiten; Neue (Bildungs-)Bedürfnisse
Hofingers Nachfolger im Verbandsvorsitz, Günter Kalliauer (1990-1994) und Fritz Bauer (1994-2001) hatten bereits mit gänzlich anderen Herausforderungen zu kämpfen. Die Schwerpunkte ihrer Verbandsarbeit lagen in der Weiterbildung und Weiterqualifizierung ihrer Mitarbeiter und in der besseren Positionierung der Volkshochschulen am Bildungsmarkt.
Geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie ein gestiegenes Ökologie- und Gesundheitsbewusstsein, die nachdrücklicher gewordenen Forderungen der Frauenbewegung, die zunehmende wirtschaftliche Integration Österreichs in den Markt der Europäischen Union, aber auch Fragen der sozialen Integration von sozial benachteiligten Gruppen wie etwa die von Migrantinnen und Migranten, schlugen sich auch in den Bildungsangeboten der oberösterreichischen Volkshochschulen nieder.
Die neuen bildungspolitischen Gegebenheiten machten auch organisatorische Veränderungen innerhalb des Volkshochschulverbandes notwendig. Ende der 1990er Jahre wurden die Volkshochschulen der Arbeiterkammer als eigenständige, gemeinnützige Bildungs-GesmbH. aus dem Verbund der Arbeiterkammer ausgegliedert.
Heute sind die Volkshochschulen die mit Abstand größten Anbieter von Erwachsenenbildungsangeboten in Oberösterreich. Neben den traditionellen Schwerpunkten auf dem Gebiet der Sprachen haben sie sich in den vergangenen Jahren auch in den Bereichen Gesundheit und aktiver Freizeitgestaltung etabliert.
In einer von staatlichen Sparprogrammen und öffentlichem Bildungsabbau geprägten Zeit obliegt es dem 2001 neu bestellten Vorsitzenden des Verbandes Oberösterreichischer Volkshochschulen, Hubert Hummer, die oberösterreichischen Volkshochschulen für die Bildungsinteressierten des Landes zu erhalten und weiter zu stärken. Nur eine organisatorisch und finanziell starke und unabhängige Volkshochschule kann auch in Zukunft ihre Kompensations-, Qualifikations-, Emanzipations- und Integrationsfunktion gewährleisten.
(veröffentlicht in: VHS aktuell, Nr. 3/2003, Mag. Thomas Dostal, Mitarbeiter im VHS Archiv)